Johannes Brahms Gesamtwerk für Orgel
Martin Schmeding an der Walcker-Orgel der St. Annenkirche
Bestell-Nr.: ARS 38 023 (CD kaufen)
Qualität: DSD
Aufnahme: 2007, St. Annenkirche, Annaberg-Buchholz
Veröffentlicht: 25.11.2007
Spieldauer: 61:13
Komponist: Johannes Brahms (1833-1897)
Interpret: Martin Schmeding
Hörbeispiel
"Chorale Preludes, Op. 122: No. 1"
Rezension in: Klassik.com
"Rundum überzeugende Gesamteinspielung der wenigen Orgelwerke des Johannes Brahms. Das ist Musik, die viel mehr Beachtung verdiente! Schmedings spieltechnisch souveräne Deutungen bieten schöne Licht- und Schattenspiele. Einwandfreier SACD-Klang.
Das letzte Stück Musik, das Johannes Brahms vollendet hat, ist eine Orgelstück. Grundsätzlich hat er sich aber nur sporadisch mit der ‚Königin der Instrumente‘ auseinander gesetzt – im wahrsten Sinne des Wortes ‚am Rande’, nämlich ziemlich früh unter dem Aspekt, sich in Satztechnik und Kontrapunkt zu schulen, und gegen Ende seines Lebens. Es spricht für sich, dass keine Orgelkomposition eine ‚echte’ Opuszahl aufweist. Die Studienwerke, die er mit dem befreundeten Geigenvirtuosen und Komponisten Joseph Joachim ausgetauscht hat, sind allesamt Werke ohne Opuszahl (WoO). Diesen steht die Sammlung von elf Choralvorspielen gegenüber, die nach Brahms’ Tod unter der posthumen Werknummer 122 erschienen ist, freilich ohne dass man heute wüsste, ob die Stücke in dieser Form als Zyklus gedacht waren, ob besagte letzte Komposition aus Brahms’ Feder auch den Schlussstein dieses Zyklus bilden sollte, ja ob die Werke überhaupt zur Publikation vorgesehen waren. Die Choralvorspiele entstanden in einer Zeit, in der Brahms selbst von Depressionen und Krankheit gezeichnet, zusätzlich aber auch vom Tod Clara Schumanns aufgewühlt war. Alles andere als trocken und theoretisch sind auch die frühen Stücke, die ebenfalls mit den Schumanns in Verbindung stehen – die dicht verwobene Fuge in der trostlosen Tonart as-Moll (WoO 8) entstand zu einer Zeit, in der sich der Gesundheitszustand von Robert zunehmend verschlechterte und Clara deswegen in depressive Stimmungen verfiel. Hier wie auch in den anderen Werken dieser ‚Gruppe’, den Präludien und Fugen a-Moll WoO 9 und g-Moll WoO 10 sowie dem Choralvorspiel samt Fuge über 'O Traurigkeit, o Herzeleid’ WoO 7 ist das große Vorbild Johann Sebastian Bach zwar in jedem Takt spürbar, Brahms wusste dem aber durch romantisch gefärbte Harmonik und persönlichen Ausdruck genug entgegenzusetzen, um mehr als bloße Stilkopien abzuliefern.
Musik passt auf eine CD
Die beiden ‚Gruppen’ sind von ihrer Ausdehnung in etwa gleich und füllen zusammen eine CD. Da bietet sich eine Gesamteinspielung geradezu an; wer dieser Tage Brahms’ Orgelmusik auf CD hören möchte, hat sogar die Qual der Wahl. Fast zeitgleich erschienen zwei SACD-Produktionen mit Martin Schmeding (Ars Produktion), um die es hier gehen soll, und Anne Horsch (cpo). Anfang des Jahres kam dann noch bei Centaur eine amerikanische Einspielung mit Haig Mardirosian heraus. Martin Schmeding spielt an der 1995 restaurierten Walcker-Orgel der St. Annenkirche zu Annaberg-Buchholz von 1884; seine Einspielung entstand in recht kurzer Zeit an einigen wenigen Septembertagen des Jahres 2006. Das Ergebnis kann sich hören lassen – in jeder Hinsicht.
Interpretation nimmt gefangen
Schmedings Interpretationen nehmen gefangen. Die straff durchgehaltenen Tempi drängen vorwärts, drohen aber nie zu hetzen. Schmeding beherrscht die Musik nicht nur mühelos, sondern bietet auch eine überzeugende Synthese aus stimmungsvoll-einheitlicher Registrierung und spannungsgeladenen Kontrasten, hier in erster Linie im dynamischen Bereich. Ein gutes Beispiel ist das Choralvorspiel 'O Gott, du frommer Gott’op. posth. 122/7, welches Schmeding hier in einer geradezu dialogischen Gestaltung als echten Höhepunkt zelebriert. Kaum zu glauben, was aus diesem Stück herauszuholen ist. Im Ganzen gesehen hält Schmeding nicht zuletzt durch diese Binnen-Kontraste die Spannung auch über Satzgrenzen hinweg aufrecht. Den dunklen Farben, den düsteren Stimmungen dieser Musik wird die Registrierung vollends gerecht. Schmeding vermeidet es aber zum Glück, das gesamte Programm grau in grau abzuliefern; die feinen Farbnuancen zwischen den Sätzen sowie die dynamischen Abstufungen schaffen ein – wenn auch stets gedämpftes – Spiel von Licht und Schatten, das den Hörer bei Laune hält.
Mustergültig aufgenommen
Das Annaberger Instrument hat einen wunderbar farbigen und ausgewogenen Klang, der auf der Aufnahme bestens zur Geltung kommt. Das Klangbild ist – ob nun in klassischem Stereo oder auf einer Mehrkanalanlage abgespielt – wunderbar ausgewogen und stimmig; was die Technik hier geleistet hat, sollte als Musterbeispiel für gelungene Orgelaufnahmen herhalten. Erfreulich ist auch der kaum wahrnehmbare Grundrausch-Pegel; das dezent zu hörende Klappern der Mechanik gehört ja einfach dazu. Ein besonderes Lob gibt es schlussendlich noch für das liebevoll gestaltete Textheft, das eine ausführliche Werk-Einführung aus der Feder des Interpreten enthält. Schmeding gelingt es hier in überzeugender Weise, viele Details zu vermitteln, ohne Lesbarkeit und Verständlichkeit einzubüßen."
Klassik.com 04.04.2010, Christian Vitalis